Ich freue mich sehr, dass wir hier heute Abend zusammensitzen. Es ist ein Projekt, was zustande gekommen ist durch gute Freunde, die mit Mitarbeitern hier aus der Buchhandlung Sedlmair bekannt sind, und die sich darüber unterhalten haben, dass ich … also wir machen Radio, mein Kollege Sigi Ober-Grefenkämper und ich, wir haben in einer dieser Radiosendungen einmal über die Big Five for Life von John Strelecky gesprochen, mit dem ich für einige Jahre zusammengearbeitet habe, den ich hier in Deutschland vertreten habe, den ich auch nach Deutschland geholt habe. Und das war dann der Anlass für das Gespräch hier über auch die Möglichkeit, in der Buchhandlung etwas zu machen.
Da ja die Bücher von John heute inzwischen wirklich die Bestsellerlisten anführen — das war damals noch nicht in dem Maße der Fall. Der dtv-Verlag hat sich damals auch nicht so reingehauen, wie er das jetzt macht. Das freut mich für John sehr! Wir haben ihn tatsächlich damals immer noch auf eigene Kosten rübergeholt, und der dtv-Verlag hat das gerne dann auch gesehen, aber er hat sich selber nicht daran beteiligt. Sei es, wie es sei.
Aus dieser Zeit gibt es, also gibt es leider nicht mehr im Handel, die Safari des Lebens, die ich damals neu übersetzt habe, in Absprache mit John und auch auf Bitten von John und dann auch selber vertont habe, was eine ganz eigene Geschichte war. Jedenfalls liegt innerhalb der Safari des Lebens auch der Bezug zu dem heutigen Thema, das unendliche Spiel. Oder unendliches Spiel des Lebens.
Was verbindet klassische Kunst (und nicht ‘klassizistische Kunst’, das ist eine kleine Korrektur, die ich anbringen möchte. Die Klassizistik ist eine Epoche. Die Klassik ist ein Merkmal und es gibt mehrere Klassiken. Es gibt die griechische Klassik, es gibt die Weimarer Klassik, es gibt chinesische Klassik und das hat damit zu tun, dass insbesondere die Zeitlosigkeit der Inhalte in der Klassik das Hauptmerkmal oder eines der Hauptmerkmale ist.). Was hat also klassische Kunst und insbesondere Friedrich Schiller mit Konzepten von Führung, Leadership zu tun. Leadership ist das, worum es bei den Big Five for Life geht, aber eben auch hier, wie bei Simon Sinek, der ja das... Buch “Frag immer erst ‘warum?’”, geschrieben hat. Also was verbindet diese beiden unterschiedlichen Welten? Die eine sehr leise, auch durchaus manchmal etwas schwer zugängliche Welt, die andere eine, die ‘Modernität’ ausstrahlt und auch große Kreise zieht, viele Menschen erreicht. Was verbindet sie?
So, und da ist eben ‘Das Unendliche Spiel’ jetzt der Aufhänger gewesen für den heutigen Abend. Und darüber möchte ich jetzt im Folgenden ein bisschen vortragen. Also ich habe John Strelecky 2009 zum ersten Mal gelesen. Ich habe ihn [das Buch über Thomas Derale] von meiner lieben Frau, die hier auch anwesend ist, unter den Weihnachtsbaum gelegt bekommen und war total begeistert von dem Inhalt dieses sehr harmlosen, vielleicht naiven Büchleins. Da wurde ja eine Führungskultur beschrieben, die mir als ‘homo politicus’ [sehr gefehlt hat.] Ich sage jetzt einfach mal [homo politicus], denn das war ich lange Zeit. Ich hatte mich bei der Europäischen Kommission qualifiziert, wollte Beamter in Brüssel werden bin dann in der Bundespolitik gelandet und habe da auch lange Zeit, oder nicht lange Zeit, aber ich habe da sehr intensiv und gerne gearbeitet. Bis ich so langsam mitbekam, dass das Prinzip, nachdem Politik aufgebaut ist, ich hoffe, ich trete jetzt hier niemandem zu nahe, das ist meine subjektive Erfahrung, aber dieses Prinzip ist destruktiv!
Und zwar hat man in der Politik Erfolg, egal was man selber leistet, wenn der Wettbewerb keinen Erfolg hat. Dann hat man in der Politik Erfolg. Und das ist der Grund, weshalb leider in der Politik sehr viel Aufwand betrieben wird, um den Misserfolg des Gegners herbeizuführen, anstatt dafür zu sorgen, dass die eigenen Ideen, wenn sie gut sind, oder die Ideen des Mitbewerbs, zur Blüte kommen. Und das ist eben etwas, was mir damals nach und nach klar geworden ist, eher unbewusst, eher auch über eine Form von persönlichem Unwohlsein, Krankheit, ‘Burnout’, sagt man dazu.
Und in diesem Kontext war dann das, was ich da bei John Strelecky las, das war einfach ein Jungbrunnen, das war erfrischend, das war eben tatsächlich der genaue Gegenentwurf, sprich: erst mal sich selber klar zu werden, was ist das, was mich antreibt auf einer Werteebene, auf einer tiefen, persönlichen Ebene. Und dann, erstens, mich darauf zu konzentrieren, dieses auch beharrlich zu verfolgen, und [zweitens] in der Führung von Menschen, von Organisationen dann auch darauf zu achten, dass ich [a).] weiß, was den Menschen wichtig ist, sprich, welche Big Five sie haben, den Menschen, die ich führe oder die mir folgen sollen, die mir gehorchen sollen oder was auch immer man da für Formulierungen verwendet. Ich will es jetzt gar nicht zu stark begrifflich problematisieren, aber das zu wissen, was diese Menschen antreibt. Und dann, [b).] auch sie so einzusetzen, dass sie genau da tätig sind, wo sie ihre Stärken, ihren Antrieb haben.
Das ist eben in dem Buch von John Srelecky, in dem dritten Buch über Thomas Derale. Derale ist ein Wortspiel, Leader, also d-e-r-a-L-e = Leader. Führung, Leadership, Thomas Derale ist die Führungsfigur, die fiktive Führungsfigur, die so ziemlich alle Eigenschaften, die eine Führungspersönlichkeit haben muss, in sich vereint. Deswegen ist sie tatsächlich auch fiktiv. Aber das ist eben Thomas Derale. Und das hat mich fasziniert. Ich habe dann John Strelecky angeschrieben, ganz naiv. Also “keine Angst vor großen Tieren”, das hatte ich in Bonn gelernt. Ich habe vielen großen Tieren die Hand geschüttelt und habe gemerkt, das sind — zum Glück — auch nur Menschen wie wir alle. Und hab dann einfach John Strelecky ganz konsequent gegoogelt, angeschrieben, gefragt “kann man dich buchen? Kommst du nach Deutschland?”
Und er hat gesagt, ja, das mache ich. Das kommt auf den Preis und auf den Termin an. Also er hat gesagt, das kommt auf den Termin an. Es kam auch auf den Preis an. Das ist aber alles okay.
Ich hatte mir dann vorgenommen, ihn im November 2010 — also Weihnachten 2009 war das [Geschenk], im Januar habe ich ihn dann kontaktiert. Im November sollte er dann kommen. Da dachte ich, “das habe ich bis dahin stehen, dass er dann auch bezahlt wird.” Und dann sollte er auf einer Jahresversammlung eines Vereins sprechen, in dem ich damals im Vorstand tätig war.
Und dann habe ich mir zum Glück sozusagen eine Falltür gebaut, sprich ein bisschen Druck geschaffen, habe dann sofort drüber gebloggt. Ich habe mir einen Blog aufgesetzt und habe gesagt “Ich will John Strelecky nach Deutschland holen”. Das war dann in der Öffentlichkeit, da konnte ich also nicht mehr zurück. Wer die Bücher von John Strelecky kennt, weiß, dass darin beschrieben wird, dass tatsächlich das Universum dann irgendwann anfängt, unterstützend tätig zu sein, also zu Hilfe kommt.
Und so war es, dass im April 2010 dann schon John Strelecky das erste Mal in Deutschland war. Dass wir zwei große Veranstaltungen gemacht haben, eine in Berlin, eine in Stuttgart. Und ich dann in der Folge auch meine Big Five bei dem Meister sozusagen gemacht habe. Weil das war eine Sorge, die ich hatte.
Also ich wusste, ich habe auch Big Five, ich wusste: in mir brennt auch was. Aber ich hätte das so irgendwie verstanden, als sei das ein Block kostbarsten italienischen Marmors. Und ich habe dann einen goldenen Meißel und einen goldenen Hammer bekommen und darf dann mich daran versuchen. Aber, [o Schreck], was ist, wenn ich Amateur, der ich ja soetwas gar nicht gelernt habe, Bildhauer, Steinmetz und so etwas… Was ist, wenn ich mich da verhaue und wenn der Marmor dann hinterher nur noch in Scherben vor mir liegt und ich dann so klug bin als wie zuvor?
Also dachte ich mir, das Risiko zu minimieren, mache ich es lieber nicht selber, ich mache es dann beim Meister! Also heute weiß ich natürlich, das ist Unfug insofern, dass ich gar keine Angst haben muss: Da kann man nichts kaputt machen. Das ist eben kein Marmor, sondern eine Hefe. Das ist etwas, was eine Kultur ist, die Bedingungen braucht, unter denen sie gedeiht. Und die verändern sich ja auch.
Jedenfalls sind die Big Five eben nicht in Stein gemeißelt. Aber jedenfalls, ich habe es dann bei Ihm auch gemacht. Und dann sagt er anschließend — wie gesagt: ich war in der Politik tätig damals immer noch, und wollte da auch tätig bleiben. Damals noch, bin ich heute nicht mehr — da sagte John: wollen wir nicht was zusammen machen? Ich bin beeindruckt, sagt er, du hast das hier so organisiert. Wir hatten zwei große Veranstaltungen und in deinem Big Five, sagt er, hier, da und da, da steht eigentlich auch ganz klar drin (das stand zwar nicht wörtlich drin, aber man konnte es rauslesen), dass du Coaching, dass du Erfahrungen weitergeben willst, das stand drin, Erfahrungen weitergeben, das war mir wichtig. Die Welt bereisen war mir auch wichtig, also eigene Erfahrungen sammeln.
Na gut, okay, dann habe ich das begonnen und war dann zeitlang auf zwei Schienen tätig, also hatte meine Politik-Schiene und habe dann gleichzeitig das Big Five Geschäft in Deutschland und den deutschsprachigen Ländern aufgebaut. So kam das zustande. Und das ist etwas, was mich wirklich sehr, sehr geprägt hat, was mein Leben nachhaltig verändert hat.
Wer kennt die Big Five nicht? … Okay.
Also wie gesagt, es stehen hier die Bücher rum, nein: die sind da, um in die Hand genommen zu werden und um gelesen zu werden. Es ist ein... ein sehr leichtes Lesen, Es sind ‘harmlose Geschichten’ beinahe, aber sie haben sehr viel Tiefe.
Insbesondere die Safari des Lebens, die hat mich tatsächlich gepackt, weil da enorm viel drin ist. Und ich arbeite inzwischen, also seitdem arbeite ich als Coach weiterhin, auch wenn ich nicht mehr exklusiv Big Five mache, sondern auch mit Konzepten von Simon Sinek oder hier steht der Bodo Janssen. Mit diesen Konzepten arbeite ich auch.
Mir geht es um das ganz Mensch sein. Darum für mich zu entdecken, was bedeutet das eigentlich? Und das ist auch das, was mich jetzt hier mit Schiller verbindet, weil auch der denkt sehr viel, sehr intensiv darüber nach, was ist das, der Mensch? Was ist das Leben?
Jedenfalls arbeite ich heute damit immer noch auch mit den Big Five und mit diesem Konzept. Und es ist wunderbar, man kann das sehr, sehr gut runterbrechen. Ich habe es sogar…, meine Tochter sitzt da hinten mit meinem Enkel. Damals, als sie noch viel kleiner war und wir immer die Tradition hatten, Geschichten vorzulesen, vor dem zu Bett gehen. Und wenn ich dann auf Reisen war und nicht vorlesen konnte, dann hat sie ein Kapitel aus dem Hörbuch hören können. Und das war dann auch eine schöne Sache.
So. Wie gesagt, als ich die Klassik damals noch…, das kannte ich nur sehr oberflächlich, ich wusste auch nicht den Unterschied zwischen Klassizismus und Klassik und habe dann eben über den (fast hätte ich Umweg gesagt), Simon Sinek, Bodo Janssen, letztendlich dann aber auch... mehr kennengelernt, meinen Horizont und meine Konzepte, meinen Werkzeugkasten erweitert.
Simon Sinek schreibt in diesem Buch, das ist, ich glaube, sein drittes, sein erstes war eigentlich erst nur ein TED-Talk, also ein Google- nein, nicht in Google, aber auf Google, auf YouTube nachzusehen: Start with Why, also: Frag immer erst ‘warum?’. Das war auf einem Flipchart, wirklich sehr locker dahin gemaltes Konzept über die Frage, warum machen wir das, was wir machen? Also wir wissen, im Idealfall wissen wir, was wir machen. Wir wissen auch, wenn es gut läuft, wie wir es machen. Aber warum machen wir das eigentlich? Das ist... jedenfalls sehr vielen Menschen nicht bekannt oder nicht bewusst. Und darum ging es da.
Hier ist dann jetzt dieses Buch ‘Das unendliche Spiel’, auf das ich jetzt kommen möchte, um auch zu Schiller und zur Klassik überzuleiten. Darin schreibt er [Sinek]:
Ein Spiel ist im Gang, wenn mindestens zwei Spieler vorhanden sind. Und es gibt zwei Arten von Spielen, endliche und unendliche.
Bei endlichen Spielen sind die Spieler bekannt, sie richten sich nach festgelegten Regeln und es gibt ein vereinbartes Ziel. Wird es erreicht? ist ein endliches Spiel vorüber. Fußball ist ein Beispiel für ein solches endliches Spiel. Die Spieler tragen alle dasselbe Trikot und sind leicht erkennbar. Es gibt bestimmte Regeln, es gibt Schiedsrichter, die haben die Einhaltung der Regeln zu überwachen. Und die Spieler haben sich bereit erklärt, nach diesen Regeln zu spielen und bei Regelverstößen die verhängten Strafen zu akzeptieren. Allerdings sind alle sich auch einig, das Team, das am Ende der Spielzeit die meisten Punkte hat oder Tore, wird zum Sieger erklärt. Dann ist das Spiel vorbei und alle gehen nach Hause. Bei endlichen Spielen gibt es also immer einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende.
So, das heißt, in dieser Art von Spiel, da geht es um den Sieg. Man spielt um den Sieg gegen einen Wettbewerber. Er fährt dann fort:
Unendliche Spiele dagegen werden von bekannten und unbekannten Spielern gespielt.
Also das heißt, man weiß nicht genau, wer sich alles in diesem Spiel befindet. Man kennt einige, Aber man darf sich bei unendlichen Spielen nicht der Illusion hingeben, dass man glaubt, man kennt alle seine relevanten Mitspieler.
Es gibt keine genauen oder vereinbarten Regeln. Es kann zwar Konventionen oder auch Gesetze geben. Die Regeln, wie sich die Spieler verhalten, doch innerhalb dieser eher weitgesteckten Grenzen können sie tun und lassen, was sie wollen. Sie können auch gegen diese Konventionen verstoßen, …
Wie ein einzelner Spieler spielt, bleibt ganz ihm überlassen. So, und das ist was, was wir wissen, wenn, also Kinder spielen unendliche Spiele. Ritter, Astronaut, Cowboy und Indianer? Kein Problem, die können zusammen spielen. Die erfinden sich auch einen Rahmen dafür, wo das alles funktioniert. Und es kann auch sein, dass da jemand dazukommt oder dass da jemand rausgeht, die spielen trotzdem weiter.
Jeder Spieler kann seine Spielweise jederzeit aus beliebigen Gründen auch verändern. Unendliche Spiele laufen ohne zeitliche Begrenzung.
Manchmal wird jemand zum Mittagessen gerufen und ist dann nicht mehr dabei, aber die anderen spielen auch da weiter. Und es gibt eben nicht nur die Kinderspiele, ist aber ein schönes Beispiel.
Weil es keine Ziellinie gibt, kein eindeutiges Ende des Spiels, kann man ein unendliches Spiel auch nicht gewinnen. Hauptziel eines solchen Spiels ist es, im Spiel zu bleiben. Für alle Zeit.
Das ist das, was er in diesem Buch dann schreibt. Und er entwickelt dann auch eine Führungskultur und es gibt verschiedene Aspekte, auf die dann eine Führungskraft auch achten muss. Ich gucke mal gerade eben, ob ich die jetzt auf die Schnelle... Finde, ja genau.
“Jede Führungskraft, die sich eine solche aneignen möchte, [also eine Führungsqualität] muss fünf wesentliche Praktiken pflegen,” heißt es hier:
für eine gerechte Sache eintreten.
[Auch wenn die Kinder zusammen spielen, dann ist das eine gerechte Sache, weil die spielen miteinander, die wollen miteinander spielen, das ist gerecht, das ist gut. Egal welchen sonstigen Rahmen das hat. Es gibt aber auch andere unendliche Spiele, die eine gerechte Sache verfolgen.]Vertrauensvolle Teams aufbauen
[also tatsächlich eben das Miteinander in den Blick nehmen und sich da gegenseitig auch wirklich vertrauen.]Ernstzunehmende Konkurrenten im Blick haben
[Das steht hier. Ich halte nicht für ganz glücklich übersetzt. Ich würde eher sagen: Wertschätzung für den Mitspieler, für den Mitbewerber. Wertschätzung, also auch sich klar zu sein: die können etwas! Selbst wenn sie nicht das können, was ich kann und in manchen Dingen ich vielleicht mich überlegen fühle, trotzdem wertschätzend mit ihnen umzugehen.
existenzielle Flexibilität
[beziehungsweise: sich auf Flexibilität, um existenziellen Situationen gut begegnen zu können und eben nicht dann den Exitus zu erreichen.Mut zur Führung beweisen
[sprich: auch für Dinge einzustehen, Gradlinigkeit zu beweisen, wenn es mal gerade vielleicht opportun sein könnte. ‘Fünfe gerade sein zu lassen’ oder so etwas, das hat eben nichts mit Flexibilität zu tun.]
Ja, also das ist das, was Simon Sinek dazu geschrieben hat, was mich eben auch stark beeindruckt hat und was ich dann in meine Arbeit mit aufgenommen habe, um ganz besonders eben auch diesen Aspekt, dass wir das Leben [als unendliches Spiel betrachten sollten]. Das hört sich vielleicht jetzt im ersten Moment paradox an, aber das Leben ist ein unendliches Spiel. Auch wenn es durch den Tod begrenzt zu sein scheint, oder [begrenzt] ist, je nachdem wie man das jetzt sehen möchte. Aber allein schon die Tatsache, dass wir nicht wissen, wann unser letztes Stündlein geschlagen hat, macht dieses Spiel dem Sinne nach zu einem unendlichen Spiel, wo man eben wirklich auch sich seine Kräfte so weit einteilen muss, dass man auch für morgen noch zum Beispiel was zuzusetzen hat und nicht weiß, “so und am 27. ist für mich Schluss und deswegen kann ich jetzt hier mal nochmal voll aufs Gas treten”.
Ich sage das ein bisschen flapsig, aber das sind tatsächlich wichtige Möglichkeiten, Aspekte, die es im ersten Moment zu bedenken gilt und ich glaube, die man dann auch nachvollziehen kann: Das Leben ist ein unendliches Spiel. Business, Unternehmertum ist ein unendliches Spiel. Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, Marktführerschaft anzustreben. Es sind bestenfalls Momentaufnahmen.
Und wenn sie aus dem Geiste der Dominanz, was sie ja manchmal zu seinen Scheinen geboren sind, dann ist da eh schon ein Problem drin. Weil wem nutzt es dann? Wer hat was davon, wenn ich den größten Gewinn einfahre? Stattdessen hätten wir alle was davon, wenn wir... die Zeit, die uns gegeben ist, optimieren im Hinblick auf die Produktivität und den Nutzen für das, was sich dann Schöpfung nennt oder Gattung Mensch oder Familie oder … Man kann es auf verschiedene Ordnungsrahmen beziehen.
Das ist etwas, was mich dabei angesprochen hat, wo ich glaube, dass Simon Sinek einen sehr, sehr leicht zugänglichen Weg gefunden hat, solche Dinge zu formulieren und festzuhalten, die nach meiner Erfahrung im heutigen Wirtschaftsbetrieb, aber auch an anderer Stelle komplett außer Acht zu geraten drohen, zumindest mal vorsichtig formuliert.
Warum ist das jetzt so? Das hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass wir in einem Klima leben, in einem Rahmen leben, wo wir uns als postmoderne Gesellschaft verstehen, die wissenschaftsbasiert ist, die faktenbasiert ist.
Und diese Wissenschaftsgesellschaft hat insbesondere jetzt die Spieltheorie entdeckt und diese Spieltheorie auf einen Sockel gestellt, der zumindest beachtenswert ist. Allein schon durch das Thema Spieltheorie im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich sind acht oder neun Nobelpreise schon im Zusammenhang mit der Spieltheorie verliehen worden. Das heißt, die hat ein echtes Gewicht im wirtschaftlichen, aber auch im politischen Sinne. Allein deswegen passt es in diesen Kontext hinein.
So, was glauben Sie, welche Art von Spiel der Spieltheorie zugrunde liegt? Wer glaubt unendlich? Wer glaubt endlich? Okay, schauen wir mal.
Bei diesen beiden Theorien gibt es nach Simon Sinek oder bei diesen beiden Kategorien gibt es nach Simon Sinek nur zwei. Ich will es auch nicht verkomplizieren.
Ich will jetzt einfach mal, bevor ich das auflöse oder bevor es dann auch klar wird, aus einem Aufsatz zitieren, den ich 2023 übersetzt habe, aus dem Englischen, den man auf meinem Substack nachlesen kann. Aber ich habe jetzt hier die wesentlichen Punkte auch mitgebracht.
Warum H.G. Wells' 'World Brain' und Yuval Hararis Hackable Human scheitern werden
Cynthia Chung ist die Präsidentin der Rising Tide Foundation und Verfasserin des Buchs “The Empire on Which the Black Sun Never Set”. Wenn es Ihnen möglich ist, unterstützen Sie ihre Arbeit durch eine Spende und durch ein Abo Ihres Substacks Through A Glass Darkly
Und dieser Aufsatz ist dafür hauptsächlich verantwortlich, weshalb ich dieses Thema Klassik und Friedrich Schiller entdeckt habe, weil der Aufsatz schließt mit einem Zitat von Friedrich Schiller. In dem Aufsatz ging es um Transhumanismus, etwas, was mich wirklich, als Großvater inzwischen, wirklich umtreibt. Und da war am Ende dieses Aufsatzes dann das Schillerzitat aus den ästhetischen Briefen, die ich dann gleich noch habe.
Wobei, ich kann es jetzt einfach direkt vorlesen. Das Schillerzitat stand am Ende dieses Aufsatzes und es hat mich elektrisiert und gepackt. Erstmal nur emotional.
Der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen und er soll nur mit der Schönheit spielen. Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.
So, jetzt habe ich mich tatsächlich ein bisschen vertan, weil das eigentliche Zitat war nicht das, sondern das war das, am Eingang der Briefe, wo er über die Freiheit spricht.
Die Freiheit, die es erstens zu erkennen gilt, sich darüber klar zu werden gilt, was die Freiheit, worin sie wirklich besteht. Und das ist nach Schiller eben nicht das zu tun, was nicht verboten ist. Und dass man diese Freiheit bewahrt, wenn man den Weg durch das Ästhetische, also durch die Schönheit geht. Ich sage gleich noch ein bisschen, was zu diesem Hintergrund dieses Zitates, aber das war der Punkt, wo ich gesagt habe, “das ist ein Hammerzitat, hört sich wunderbar an, hört sich schön an, möchte ich gerne glauben, ich verstehe es nur nicht. Wie kann das sein? Was hat denn die Schönheit mit Freiheit zu tun?”
So, jedenfalls erst einmal jetzt zur Spieltheorie:
Die Spieltheorie, die mathematische Theorie der Strategiespiele, wurde von John von Neumann in seinem Buch Theory of Games and Economic Behavior, also Spieltheorie und wirtschaftliches Verhalten entwickelt, welches er gemeinsam mit Oscar Morgenstern verfasste. Der Kern der Theorie besteht in der Ahnung, dass das Verhalten eines Individuums immer darauf ausgerichtet ist, ein optimales Ergebnis zu erzielen, welches durch das egoistische Eigeninteresse bestimmt wird.
John von Neumann räumt in seinem Buch selbst ein, dass die gesamte Funktionsweise seines Modells auf der Annahme beruht, dass wir von rationalem, egoistischem Verhalten geleitet werden. Dass er sich dieser Annahme aber sicher ist, da diese Tatsache für ihn offenkundig evident ist. Der Grund, warum sich Mathematiker bei solchen Annahmen, wie sie auch Yuval Hararis Algorithmen und Denkweise enthalten, sicher fühlen, ist der anhaltende dogmatische Glaube an den Darwinismus. Und daher muss eine solche Annahme, die in ein einflussreiches mathematisches Modell einfließt, nicht mehr hinterfragt werden.
Das ist auch da. Das ist ja scheinbar evident. Obwohl der Darwinismus... viele Annahmen bis heute nicht erklären kann. Das war nur so als Denkpunkt.
Dies macht das gesamte Modell zu einem untauglichen Werkzeug für Vorhersagen.
Das heißt, wer auf diesem Modell, der Mensch ist ein egoistisches Wesen und ist nur auf sein Eigeninteresse aus, der hat selbst keine Kinder oder keine Enkelkinder.
(…)
Also das ist, insofern würde ich jetzt mal sagen, Herr Neumann, das ist evident, dass das nicht sein kann, aber das ist jetzt mal ein polemisches Zwischenruf.
Es ist also insofern komplexer und deswegen kann man das so einfach nicht nutzen und darauf eine Vorhersage betreiben.
Das wird aber gemacht. Wie gesagt, Wirtschaft, Wissenschaften, Politik, überall geht es um das Thema Eigennutz des Menschen, der ihn treibt und sonst nichts.
Es ist allerdings ein nützliches Werkzeug bei der Konditionierung von Verhalten. bei der Programmierung gewünschten Verhaltens, welches ein Aufsichtsrat, …
also hier nehme ich Bezug in diesem Zitat auf die Schöne Neue Welt von Aldousi Huxley, da geht es um den Aufsichtsrat Mustafa Mannesmann, der sich Gedanken darüber macht, was man zulassen kann und was man nicht zulassen darf, obwohl es sich vielleicht eigentlich gut anhört, aber leider in das gesellschaftliche Klima nicht reinpasst, deswegen Zensur. Muss verboten werden, darf nicht stattfinden.
Im Fall der Spieltheorie wird nicht einmal der Versuch unternommen zu beweisen, dass wir letztendlich diese leicht zu durchschauende Computersimulation sind, die auf der Grundlage des optimalen Ergebnisses aus egoistischem Eigeninteresse beruht. Die gesamte Hypothese beruht auf einer Annahme. Und das ist es, was wir heute moderne Wissenschaft nennen, die angeblich frei von dogmatischen Glaubenssystemen ist.
Wie gesagt, das ist ein leicht polemischer Unterton in diesem Aufsatz, das gebe ich gerne zu, aber es ist etwas, was, ich habe das gelesen, das hat mich so elektrisiert, ich musste mich erstmal für ein paar Tage zurückziehen, den Aufsatz übersetzen und dann eben auch verfügbar machen, weil ich finde, da ist enorm ‘was drin.
Eine solch grobe Vereinfachung der menschlichen Natur offenbart die Dreistigkeit, die hinter den Annahmen steht, welche solche Theorien wie der Spieltheorie zugrunde liegen. Du bist nichts weiter als ein virtueller Avatar in einer synthetischen Welt mit programmierbaren Grenzen für das, was du in dem Spiel tun darfst und was nicht, was man für dich geschaffen hat und was nicht ist.
Also das ist etwas, was einen geradezu herausfordert, sich dazu mal ein paar Gedanken zu machen und zu fragen, stimmt das überhaupt?
Und wenn das so sein sollte — ich behaupte das jetzt hier nur so, ich bitte Sie, prüfen Sie das nach — wenn das so sein sollte, dass das politisches Handeln, Gesetzgebung, maßgeblich informiert, sprich treibt, dann haben wir möglicherweise den einen oder anderen Ansatz, uns selbst mal über unsere eigene Verantwortung für solche politischen Entscheidungen bewusst zu werden.
Die Spieltheorie beschreibt nicht die Motivationen, die der menschlichen Natur zugrunde liegen, sondern setzt solche Grenzen um, wie die Autoren selbst einräumen, ein gewähltes egoistisches Verhalten einfacher vorherzusagen. Also es ist eine notwendige Verkürzung, um solche Modelle überhaupt aufstellen zu können. Sonst würde das gar nicht gehen. Wenn man darauf etwas bauen will, dann muss man diese Annahmen soweit eingrenzen, dass man sich einen Rahmen schafft, unter dem das Verhältnis dann vielleicht diskutabel wäre. Aber [ein solcher] Rahmen hat jedenfalls mit dem Leben insofern nichts zu tun, weil das Leben ist viel, viel komplexer, viel, viel wunderbarer und viel, viel unverstandener, als uns da Glauben gemacht werden soll. So, und dann heißt es hier sehr polemisch:
Es ist ein System der Versklavung, das seine Sklaven dazu ermutigt, sich gegenseitig schlachten, um Brotkrumen zu liefern, aber niemals die Hand zu hinterfragen (oder zu beißen), die sie hungern lässt oder ein bisschen füttert. Das System, welches künstliche Knappheit schafft und den Kampf mit willkürlich erzeugten Stressfaktoren fördert.
Uns wird beigebracht, die Regeln, die uns in diesen spieltheoretischen Szenarien vorgegeben werden, niemals in Frage zu stellen, denn das ist Wissenschaft. Trust the science. Also das darf man überhaupt nicht hinterfragen. Auf der anderen Seite beruht diese Wissenschaft erklärtermaßen auf philosophischen Grundsätzen, die zum Beispiel sagen, es gibt keine objektive Wahrheit. Okay, wenn das so sein sollte, dass es keine objektive Wahrheit gibt, dass es nur relative Wahrheiten gibt, nur subjektive Wahrheiten gibt, dann kann es aber auch diese Wahrheit in dieser wissenschaftlichen Absolutheit nicht geben.
Ganz genau. Das widerspricht sich eben.
Ein fundamentaler Widerspruch, auf den ich hier eben auch mit solchen Veranstaltungen hinweisen möchte. Ja, also insofern ist jetzt hier …, das geht noch ein bisschen weiter, aber da ist jetzt der Anschluss unpassend.
Die Spieltheorie ist also letztendlich, wenn man... sie überhaupt als halbwegs logische oder “wissenschaftliche” Theorie ausgeben möchte, dann ist ganz klar, dass es ein endliches Spiel ist!
Wo also Dominanz entscheidend ist, sprich ‘mein Nutzen’. Ich möchte, dass ich diesen Brot krümmen kriege und nicht du, lieber [Nachbar]. Also das möchte ich natürlich nicht, aber das wäre jetzt hier die spieltheoretische... Schlussfolgerung, dass letztendlich wir zwei uns zwar gut verstehen können, aber wenn es ans Eingemachte geht, dann “kann es nur einen geben”.
Das ist also keine Menschlichkeit. Das ist keine Menschlichkeit im Sinne einer unverletzbaren Würde, die uns ja auch in unserem Grundgesetz noch noch zusteht. Von “Gottgegeben” würde ich jetzt an diesem Punkt nicht sprechen, weil ich es auch ausdrücklich nicht hier falsch verstanden wissen möchte. Das sind philosophische Themen.
Dem steht gegenüber die Tatsache, dass das Leben gerade für Friedrich Schiller, aber eben für alle platonischen Humanisten, und Schiller ist ein platonischer Humanist, ein unendliches Spiel sein muss! Das ist die einzige Konsequenz daraus, dass man eben in einem “Spiel” (als Metapher jetzt mal diesen Begriff verwendet) sich befindet. das zu weiten Teilen unverstanden ist, das aber verstehbar seinem Grundsatz nach sein könnte und wahrscheinlich auch sein dürfte. Und dass es Sinn macht, sich nach diesen Gesetzen umzuschauen, aber vor allen Dingen mal in Wertschätzung für alles das, was sich da ansonsten noch in dieser Schöpfung bewegt, insbesondere unter den menschlichen Mitgeschöpfen, aber eben nicht ausschließlich.
So, der erwähnte Aufsatz jedenfalls setzt sich kritisch mit bekannten Autoren, einen habe ich schon genannt, Aldous Huxley, und ihrem Denken auseinander. H.G. Wells, “die Zeitmaschine”, viele andere Texte, “Open Conspiracy”, also “Die offene Verschwörung”, und auch Yuval Noah Harari auseinander. Beide kann man als Vertreter eines Menschenbildes bezeichnen, das heute unter dem modernen Begriff des “Transhumanismus” firmiert.
Das habe ich eben schon gesagt. Gott kommt in diesem Weltbild nicht vor. Oder wenn, dann als “Gott aus der Cloud”. Das ist das, was Noah Harari sagt. Und diese Cloud sei “intelligenter als jeder Gott” und könne viel besser und treffender designen. Der Mensch verhält sich selbst, verhält sich auch für Harari und Wells und viele andere Anhänger dieser postmodernen Denkrichtung, vorhersagbar in den Grenzen und Gesetzen der Spieltheorie, die auf den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung basiert, die also dem Zufallsprinzip unterliegt.
Das ist Darwin's Kernaussage. Es ist ein Zufall, was da geschieht.
Freiheit ist danach alles, was nicht verboten ist. Ethik und Moral sind danach relativ.
So, das war jetzt die Vorrede, um zu Friedrich Schiller zu kommen. Und das ist jetzt was, wo ich ein bisschen Kloß im Hals auch habe, weil jetzt in einer 90-minütigen Veranstaltung die Ästhetischen Briefe zu besprechen, ist an sich schon ein sehr vermessenes Unterfangen. Geschweige denn das Gesamtwerk von Schiller jetzt da in dieser Weise zu “würdigen”.
Ich will trotzdem einfach mal fortsetzen, weil das war ja der Ausgangspunkt hier, dieser Bezug auf das Spielerische, auf diesen Begriff, dass wir uns in einem Spiel befinden könnten und es nur vor allen Dingen mal darauf ankommt, zu verstehen, welcher Art dieses Spiel ist, und wie wir uns dann darin verhalten könnten, zumindest hypothetisch. Okay.
Schiller hat diese Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen 1793 begonnen, 1795 in seiner Zeitschrift Die Horen veröffentlicht. Und die Briefe, die muss man vor dem Hintergrund der Französischen Revolution sehen und verstehen. Die Französische Revolution, Schiller war, wie gesagt, ein ein platonischer Humanist, ein Menschenfreund, jemand, der jedenfalls mit Schrecken gesehen hat, wie die republikanischen Ideale, die es in Frankreich auch gab. Und Frankreich war allerdings wiederum eine Folge der amerikanischen Revolution, wo es gelungen war, die Unabhängigkeitserklärung auf unveräußerliche Rechte zu gründen, unter anderem, aber dann auch eine Verfassung sich zu geben, die tatsächlich nach damaligen Gesichtspunkten sehr, sehr fortschrittlich war. Und ich bin mir vollkommen bewusst, dass das etwas ist, was uns heute, 250 Jahre später, durchaus problematisch vorkommt, weil wir natürlich Amerika heute in einer Art und Weise sehen, wo man sich fragt, “ja und wo sind da diese Grundsätze?” Das halte ich auch für eine legitime Frage.
Ich glaube nur, dass es auch da spannender sein könnte, die Lösung mal wirklich zu suchen nach diesem Paradoxon.
Und diese Lösung könnte vielleicht sogar darin bestehen, dass es gerade darum gehen könnte, das republikanisch-humanistische, menschenfreundliche Ideal, was sich damals etabliert hat, was seither nie ganz verschwunden ist, ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen.
Diese Versuche, das aus dem Weg zu räumen, hat es immer wieder gegeben. Sie sind nie gelungen, schon gar nicht mit direkter Auseinandersetzung. Warum also nicht versuchen, das von innen auszuhöhlen und dadurch ad absurdum zu führen, um es dann letztendlich in eine New World Order oder so etwas überzuleiten, um auch diesen polemischen Begriff zu bemühen. Aber nein, das ist kein polemischer Begriff, der wird ja allen Ernstes immer wieder bemüht, politisch auch. Nur er ist ein Begriff, der sehr lange schon gebraucht wird, auch zu Schillers Zeiten schon gebraucht worden ist, der allerdings eben sehr problematisch ist.
Jedenfalls hat er [Schiller] diese Briefe damals geschrieben, als er sah mit Schrecken, wie dann die französische Revolution entartete, in einen Terror, Gewaltexzesse und eine Perversion aller Ideale der Menschlichkeit.
Er war darüber sehr entsetzt und hat dann aber letztendlich die Briefe geschrieben, um zu sagen, “und das ist nicht der Gegenbeweis, dass der Mensch nicht in der Lage sei, sich selbst zu führen”, um das mal so zu sagen, also seine Menschlichkeit tatsächlich auszubilden.
Schiller war schon sehr klar, dass er sagte, ja okay, da hat ein großer Moment ein schwaches Geschlecht gefunden. Also sprich, er hat dann gesagt, die Franzosen waren noch nicht bereit dafür, das zu machen, was sie da begonnen hatten oder wonach sie vielleicht gestrebt haben sollen. Jedenfalls hat er sich Gedanken gemacht, wie kann das sein, dass so etwas passiert und ist dabei gekommen? Das ist jetzt hier noch die Einleitung dazu, zu sagen, okay, der Mensch hat ganz offenkundig zwei Elemente, die ihn maßgeblich treiben. Das lese ich dann gleich noch im Zitat vor. Aber auf der einen Seite hat er eben eine emotionale Komponente, die dann auf der einen Seite zwar vielleicht sogar Angst und Passivität hervorrufen kann, aber auch wilde Raserei, also Wut und wirkliche Kopflosigkeit. Auf der anderen Seite hat er eine Verstandesebene, eine rationale Ebene, die teilweise so kalt und gefühlslos wird und sich zum Maßstab macht, Und beides ist auch in Frankreich dann wechselseitig ja immer wieder versucht worden und hat dann auch dazu beigetragen, dass es eskaliert ist.
Aber Schiller sagt, das ist eine grundsätzliche Anlage des Menschen, die zu leugnen oder darauf zu setzen, dass das eine das andere dominieren soll, nach dem Motto, man muss halt auch mal vorübergehend das Gefühl ausschalten und den Verstand weiten lassen. Oder umgekehrt, man muss den Verstand ausschalten und das Gefühl sein lassen. Das funktioniert nicht, funktioniert erkennbar nicht. Das war seine Konklusion.
Aber anders als dann zu sagen, okay, dann ist es halt hoffnungslos, dann können wir uns die Kugel geben, hat er gesagt, “Nein, da gibt es eine Auflösung!” Und diese Auflösung war dann für ihn die Schönheit.
Und so erklärt sich dann auch dieses Zitat, “es ist die Schönheit, durch welche wir zur Freiheit kommen”. Also er hat seinen Auftraggeber, den Herzog von Oldenburg-Augustenburg in Schleswig-Holstein, Dänemark damals noch. den hat er... dass er sich auf diese Debatte über das, was jetzt in Frankreich und aus der französischen Revolution als Konsequenz folgen muss, politisch. Daran will er sich nicht beteiligen. Er will sich vielmehr die Zeit nehmen, um sich Gedanken zu machen, um dieses politische Problem in der Erfahrung durch den Umweg über das Ästhetische zu lösen. Ich muss Ihnen gestehen, ich habe sechs Monate an diesem Brett gekaut. Und ich habe es immer noch nicht völlig verstanden, das will ich auch gar nicht behaupten. Ich will nur sagen, das ist wirklich sehr, sehr spannend. Und es lohnt sich, weil man mit ein bisschen Beharrlichkeit dann durchaus auch verstehen kann. trotz der 250 Jahre, die dazwischen liegen, trotz der alten Sprache, der umständlichen Sprache, worum es ihm geht.
Und ich will versuchen, Ihnen ein bisschen Eindruck zu geben, worum es Schiller gehen könnte, oder nach meinem Verständnis jedenfalls geht.
Also, Schiller spricht von einer göttlichen Anlage, die in jedem Menschen vorhanden ist. Und er spricht von der Gottheit, er spricht nicht von dem christlichen Gott. Also insofern will ich auch sagen, es geht hier nicht darum, zu missionieren als solches, sondern es geht um die Frage, “wo kommt dieses Leben her?” Und da war Schiller schon so, dass er gar nicht auf den Gedanken gekommen wäre, dass das Zufall sein könnte. Im Gegenteil, er glaubt schon, dass da irgendetwas ist, was uns Menschen als Suche nach dem, woher wir kommen, Suche nach dem, worum es gehen soll, aufgegeben ist und mit Beharrlichkeit und eben Schönheit wird das auch zum Ziele führen.
Das war jetzt mal in ganz knapper Form das gesagt, was er dann vertritt. Und wenn man seine Gedichte liest, also die Ode an die Freude zum Beispiel, Brüder, über dem Sternenzelt | muss ein lieber Vater wohnen. Das ist auf der einen Seite, erstens, poetisch formuliert, so ist es auch in der Zeit natürlich zu verstehen, wo bestimmte Aspekte auch durchaus konventionell ausgedrückt worden sind. Aber es ist trotz all dem, wenn man sich das vor Augen führt, davon war ich überzeugt, dass da eine Kraft ist, eine Instanz, die auch letztendlich, die es gut mit der Schöpfung meint. Und der Götterfunken eben erst recht. Das ist ein Hinweis auf Prometheus, griechische Mythologie.
Prometheus hat den Menschen das Feuer gebracht, hat es den Göttern vom Olymp gestohlen, um damit die Menschen zu befähigen, die Welt zu gestalten. Sprich, er hat den Verstand gebracht und ist dafür von Zeus ja auch mit Ewiger Pein gestraft, also er wurde gefesselt an den Felsen und ein Adler hat ihm jeden Tag wieder die Leber, die nachwuchs, rausgepickt und insofern die Marter. Das ist in diesem Mythos dann drin. Das ist das, was Schiller da immer wieder aufnimmt und wo er es auch letztendlich bejaht, dass es in diese Richtung geht. Die Erkenntnis formuliert sich hinterher vielleicht in anderen Worten. Das ist dann die Reise, die er führt, von der er spricht, dass es eine Reise auf einem Weg ist, “wenn man einen Weg nennen kann, der nie zum Ziele führt.” Darüber war er eben sich auch klar. Das heißt, diese Reise, unsere göttliche Anlage, unser Potenzial zu entfalten, werden wir zu ihrer vollkommenen Vollendung nie. Aber trotzdem ist das kein Argument, um diesen Weg nicht zu gehen.
So, also in diesen ästhetischen Briefen wird der Auftrag der notwendigen Veredelung, das ist ein weiterer Begriff, durch ästhetische Bildung, die allein fähig ist, die widerstreitenden Triebe, Sachtrieb und Formtrieb, also Form kommt hier eben von platonisch, εἶδος eídos „Urbild“, das Urbild im Sinne einer einer vollumfänglichen Beschreibung allen Potenzials, was vorhanden ist.
Das ist das, was mit Eidos und mit Form gemeint ist. Und insofern ist das die zweite Ebene, von der Schiller da spricht. Sachtrieb ist die sinnliche Ebene und Formtrieb ist dann die rationale Vernunft-Ebene. Wobei Vernunft wiederum eine Folge ist aus einer vernünftigen Anwendung des Verstandes. Und die beiden Kategorien sind nicht identisch. Jetzt ein paar Zitate.
“Zur Erfüllung dieser doppelten Aufgabe, das Notwendige in uns zur Wirklichkeit zu bringen und das Wirkliche außer uns dem Gesetz der Notwendigkeit zu unterwerfen, werden wir durch zwei entgegengesetzte Kräfte gedrungen, die man, weil sie uns antreiben, ihr Objekt zu verwirklichen, ganz schicklich Triebe nennt. Der erste dieser Triebe, den ich den Sachtrieb nennen will, geht aus von dem physischen Dasein des Menschen, oder von seiner sinnlichen Natur und ist beschäftigt, ihn in die Schranken der Zeit zu setzen und zur Materie zu machen.“
Also das heißt, da geht es darum, das Leben in seiner physischen Realität anzunehmen und daraus zu gestalten.
“Mithin fordert der Sachtrieb, dass Veränderung sei.”
Also das Göttliche ist die Person, die Person ist unveränderlich, Und die Materie ist veränderlich in der Zeit und muss gestaltet werden, ist aber nie gleich.
Permanente Veränderung. Dieser Zustand der bloß erfüllten Zeit heißt Empfindung. Und er ist es allein, durch den sich das physische Dasein verkündigt.
“Der zweite jener Triebe, den man Formtrieb nennen kann, geht aus von dem absoluten Dasein des Menschen,” sprich von der göttlichen Anlage, von dem Potenzial, was im Menschen ist. Noch einmal, das hat nichts mit Christentum und mit Bekehrung zu tun, sondern es ist ein philosophisches Thema. “oder von seiner vernünftigen Natur. Und es ist bestrebt, ihn in Freiheit zu setzen.” So, da kommt diese Freiheit eben vor.
Und es ist nicht die Freiheit, die definiert ist durch das, was nicht verboten ist, sondern es ist die Freiheit, die dem Verstand, dieser Vernunft dann irgendwann signalisiert, die richtigen Dinge zu tun und in der Krise zum Beispiel auch sich selbst im Sinne zukünftiger Generationen nicht zu wichtig zu nehmen und nicht seinen eigenen Hintern zu retten, sondern das Notwendige zu tun. Das ist damit eben auch gemeint. Das ist auch unter dem Freiheitsbegriff von Schiller zu verstehen.
“Harmonie in die Verschiedenheit seines Erscheinens zu bringen.” Harmonie ist ein weiterer Begriff, der hier bei all denen ganz wichtig ist. Johannes Kepler beispielsweise, die Harmonie der Welten, die Harmonie der Planeten, der planetaren Umlaufbahn ist ein weiterer Beweis für die humanistische Suche nach der Gesetzmäßigkeit in dieser Schöpfung, aber unter der Annahme, dass es eine Gesetzmäßigkeit gibt. Und die Fortschritte, die auf diesem Weg von Platon über die gesamten Humanisten, die lassen dafür eben auch durchaus die Vermutung nahe, dass es tatsächlich eine Auflösung geben könnte, auch wenn niemand in der Lage ist, die heute schlüssig und ohne jeden Widerspruch zu formulieren.
“Ihn in die Verschiedenheit seines Erscheinens zu bringen und bei allem Wechsel des Zustands seine Person zu behaupten.” Die Person ist wiederum dieses moralisch, charakterlich, feste, göttliche, das, was moralisch ist. über jeden Zweifel er haben ist, was der Mensch nicht hat, aber was ein Mensch haben kann, haben soll jedenfalls, wonach er streben soll.
Er umfasst mithin die ganze Folge der Zeit und das ist so viel, als er hebt die Zeit, er hebt die Veränderung auf, er will, dass das Wirkliche und Notwendige, notwendig und ewig und dass das Ewige und Notwendige wirklich sei.
Also dass das Potenzial in seiner Schönheit, in seiner Wahrheit, in seiner Güte tatsächlich gehoben werden kann. Das ist eine Utopie. Utopie heißt nicht etwas, das es nie geben wird, sondern heißt erstmal nur, dass so noch nicht existiert. Das ist der Begriff Utopie in seiner semantischen Auflösung. Davon spricht er hier.
Der Sachtrieb will, dass Veränderung sei, dass die Zeit einen Inhalt habe. Der Formtrieb will, dass die Zeit aufgehoben, keine Veränderung sei. Derjenige Trieb, also in welchem beide verbunden wirken, es sei mir einstweilen, bis ich diese Benennung gerechtfertigt haben werde, gestattet, ihn Spieltrieb zu nennen. Der Spieltrieb würde also dahin gerichtet sein, die Zeit in der Zeit aufzuheben, werden mit absolutem Sein Veränderung mit Identität zu vereinbaren.
Also da sind diese Widersprüche, die sich aus den jeweiligen Elementen der “Natur” der Menschlichkeit, ergeben. [Durch die Schönheit] sind sie dann harmonisiert, da sind sie zusammengebracht. Aber das ist eine Beschreibung eines noch unerreichten Zustandes. Der Spieltrieb wird also notwendig, um die Harmonie — das war Kepler — im menschlichen Wesen Gestalt annehmen zu lassen.
Und dann heißt es dann, also er schreibt das in 27 Briefen, wir sind jetzt hier beim Brief Nummer 14, ungefähr zur Hälfte: “Immer näher komme ich dem Ziel, dem ich Sie auf einen wenig ermunternden Pfade entgegenführe.” Also sprich, das ist ein hartes Brot, sagt er selber. “Lassen Sie es sich gefallen, mir noch einige Schritte weiter zu folgen, also vertrauen Sie mir, so wird ein desto freierer Gesichtskreis sich auftun und eine muntere Aussicht die Mühe des Weges vielleicht belohnen.”
Da habe ich gleich noch mal ein Zitat, wenn wir die Zeit noch haben, aus der Safari des Lebens, weil auch da kommt genau dieser Ausblick auf den ‘Spielplatz’, auf das, was uns gegeben ist zur Gestaltung. Das kommt da bei John Strelecky eben auch vor.
Schiller schreibt: Der Mensch, wissen wir, ist weder ausschließlich Materie, Noch ist er ausschließlich Geist. Die Schönheit also als Consumation seiner Menschheit kann weder ausschließend ein Objekt des Sachtriebes, bloßes Leben sein, wie von scharfsinnigen Beobachtern, die sich zu genau an die Zeugnisse der Erfahrung halten, behauptet worden ist, und wozu der Geschmack der Zeit sie gerne herabziehen möchte
[nach dem Motto, jetzt seid doch mal vernünftig und macht das endlich so, das ist doch offenkundig, warum versteht ihr das alles nicht?]
“Noch kann sie ausschließend ein Objekt des Formtriebs, also bloße Gestalt sein, wie von spekulativen Weltweisen …” also sprich Philosophen, unter anderem auch Kant. Also Schiller setzt sich sehr kritisch mit Kant auseinander, ohne dass das zu deutlich hervortritt. Mendelssohn war da sehr viel klarer. Jedenfalls:
“… von spekulativen Weltweisen, die sich zu weit von der Erfahrung entfernten, und von philosophierenden Künstlern, die sich in Erklärung derselben allzu sehr durch das Bedürfnis der Kunst leiten ließen, geurteilt worden ist. Sie ist das gemeinschaftliche Objekt beider Triebe, das heißt des Spieltriebes.
Wird aber, möchten Sie längst schon versucht gewesen sein, mir entgegenzusetzen, wird nicht das Schöne dadurch, dass man es zum bloßen Spiel macht, erniedrigt und den frivolen Gegenständen gleichgestellt, die von jeher im Besitz dieses Namens waren? Widerspricht es nicht dem Vernunftbegriff und der Würde der Schönheit, die doch als ein Instrument der Kultur betrachtet wird, sie auf ein bloßes Spiel einzuschränken? Und widerspricht es nicht dem Erfahrungsbegriff des Spiels [also sprich: das, wie wir die Spiele kennen] das mit Ausschließung allen Geschmackes zusammen bestehen kann, es bloß auf Schönheit zu beschränken?”
Ist das möglich?
“Aber was heißt denn bloßes Spiel?”, schreibt Schiller, “nachdem wir wissen, dass unter allen Zuständen des Menschen gerade das Spiel und nur das Spiel es ist, was ihn vollständig macht und seine doppelte Natur, sprich Sinnlichkeit und Verstand, auf einmal entfaltet. Die wirklich vorhandene Schönheit ist des wirklich vorhandenen Spieltribes wert, aber durch das Ideal der Schönheit, welches die Vernunft aufstellt, ist auch ein Ideal des Spieltribes aufgegeben, das der Mensch in all seinen Spielen vor Augen haben soll.”
Das heißt also, es geht schon darum, auch zu wissen, dass man nicht jedes Spiel spielt, und gar auch Spiel nennen soll, dass man sich daran nicht beteiligt, also nicht ins Casino gehen soll. Das ist jetzt wiederum eine Polemik, aber um das mal so zu greifen.
Je nachdem sich der Spieltrieb entweder dem Sachtriebe oder dem Formtriebe nähert, wird auch das Schöne entweder mehr an das bloße Leben oder an die bloße Gestalt, [sprich an die bloße Idee] grenzen. Und man wird niemals irren, wenn man das Schönheitsideal eines Menschen auf dem nämlichen Weg sucht, auf dem er seinen Spieltrieb befriedigt.
Und wenn jemand zu unausgeglichen ist dabei, dann sieht man, er versucht das übers Knie zu brechen, aber das funktioniert. Man muss beide Dinge immer wieder miteinander verbinden.
Wenn sich die griechischen Völkerschaften in den Kampfspielen zu Olympia an den unblutigen Wettkämpfen der Kraft, der Schnelligkeit, der Gelenkigkeit und an dem edleren Wechselstreit der Talente ergötzten, und wenn das römische Volk an dem Todeskampf eines erlegten Gladiators oder seines libyschen Gegners sich labt, so wird es uns auf diesem einzigen Zuge begreiflich, warum wir die Idealgestalten einer Venus, einer Juno, eines Apolls nicht in Rom gewinnen, sondern in Griechenland aufsuchen müssen.
Nun spricht aber die Vernunft, das Schöne soll nicht bloßes Leben, nicht bloße Gestalt, sondern lebende Gestalt, das ist Schönheit sein, indem sie ja dem Menschen das doppelte Gesetz der absoluten Formalität und der absoluten Realität diktiert.
Also sprich, sich eben wirklich beiden Dingen kontinuierlich nähern zu wollen,
Mithin tut sie also auch den Ausspruch, der Spieltrieb soll nicht bloß Sachtrieb und nicht bloß Formtrieb, sondern beides zugleich. Das ist Spieltrieb sein.
Mit anderen Worten, der Mensch soll mit der Schönheit nur spielen und er soll nur mit der Schönheit spielen. Denn um es endlich auf einmal herauszusagen: der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist. Und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.
Also, da schreibt er selber hinterher,
Dieser Satz, der in diesem Augenblick vielleicht paradox erscheint, wird eine große und tiefe Bedeutung erhalten, wenn wir erst dahin gekommen sein werden, ihn auf den doppelten Ernst der Pflicht und des Schicksals anzuwenden. Er wird, ich verspreche es Ihnen, das ganze Gebäude der ästhetischen Kunst und der noch schwürigen Lebenskunst tragen.
Das soll jetzt an der Stelle mit den Zitaten aus den Briefen gewesen sein. Das war jetzt der 15. Brief, also etwas mehr als über die Hälfte. Und in der Folge verwendet Schiller dann sehr viel Zeitraum, das Thema Schönheit in ihrer philosophischen Differenziertheit zu erläutern. Und das ist auch durchaus anspruchsvoll. Das haben auch andere versucht.
Aber er ist eben überzeugt davon, dass es diese absolute Schönheit gibt, die aber dann wiederum, wie auch der Mensch in seiner Natur, durchaus unterschiedliche Ausprägungen hat, von denen keine die andere jeweils ersetzen darf, sondern die man miteinander in Beziehung setzen muss, die man auch miteinander harmonisieren muss, indem man sich tatsächlich der Schönheit aussetzt.
Aber wenn man das macht, und das ist eben dann die Quintessenz, wenn man das macht, wenn man sich mit Schönheit beschäftigt, wenn man sich Schönheit gönnt, dann ist das etwas, was sowohl auf die Sinne erhebend wirkt (also sprich bildend wirkt, beruhigend, aber auch ermunternd wirkt) als auch auf den Verstand.
Der kann dann auch Zusammenhänge nüchtern, vernünftig deuten und erkennen lernen. Das heißt, insofern ist es auch für mich jedenfalls sehr nachvollziehbar, weshalb er diesen Schluss gezogen hat aus seiner Beobachtung dessen, was in Frankreich passiert ist.
Die Schwierigkeit ist natürlich, und damit bin ich jetzt erst einmal am Ende, bevor ich dann zum Schluss unseres Gesprächs noch ein kleines Zitat habe, in der praktischen Anwendung. Die Schwierigkeit ist eben tatsächlich, dass dieser philosophische Ansatz für uns heute auf der einen Seite so nützlich sein würde, auf der anderen Seite aber so fremd schon geworden ist. Man darf nicht vergessen, Friedrich Schiller, der eben tatsächlich ein Gesellschaftskritiker auch war, der in seinen Kabale und Liebe die Praxis des Verhökerns der Landeskinder für den imperialen Krieg gegen die amerikanische Revolution kritisiert hat, und dafür verfolgt wurde. Das heißt, Schiller ist dann auch in der Folge nach der Restauration 1815, durch die Karlsbader Beschlüsse sind seine Werke verboten worden.
Es gab dann eine Blüte. Und Schiller ist auch nicht das Maß aller Dinge, er ist auch nur ein Mensch gewesen, wenngleich er jemand war, der in bemerkenswerter Konsequenz seine seine Grundsätze vertreten hat, da er auch insofern konsequenter war als beispielsweise Goethe, der heute viel, viel bekannter ist, die aber beide Zeit ihres Lebens eng verbunden waren.
Und der Briefwechsel von beiden gibt dann auch wirklich interessante Einblicke in das Spiel, was beide miteinander im Interesse der Kunst, im Sinne der Kunst dann auch betrieben haben.
Jedenfalls ist Schiller konsequent letztendlich aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, auch aus der Bildung herausgedrückt worden. Oder aber — und das ist der andere Punkt — da wo er nicht herausgedrückt werden konnte, wurde er banalisiert, wurde er zu einem romantischen Schwärmer gemacht.
Und die Romantik ist etwas, darüber hat auch Heinrich Heine schon sehr, sehr treffend beschrieben, die Romantik ist etwas, die versucht dann durch die Hintertür diese Sinnlichkeit wieder zum Maßstab zu machen, das Gefühlsschwärmerische, was bei Schiller nie ein Schwärmerisches war in dem Sinne, sondern allenfalls eine staunende Kraft über ein Element der Persönlichkeit. Die Romantik hat versucht, oder mit der Romantik wurde versucht, diese Dualität zwischen Verstand und Sinnlichkeit aufzuheben, zwischen Sittlichkeit und Sinnlichkeit ist es ja eigentlich, aber Sittlichkeit ist auch wiederum ein Begriff, der inzwischen sehr, sehr problematisch geworden ist.
Insofern ist auch Schiller, Ja, im Wesentlichen gilt er heute als Dichter, die Glocke vielleicht kennt man noch vom Titel her oder eben auch die Ode an die Freude. Aber es ist zum Beispiel interessant, dass die Ode an die Freude zwar in ihrer Vertonung von Beethoven Europahymne ist, aber der Text... nicht gesungen, auch nicht mal mitgegeben wird, sondern der Text ist komplett da heraus genommen.
Das Thema Alle Menschen werden Brüder und so etwas. Das ist etwas, was in der Europahymne erschreckenderweise fehlt. Und man darf sich da auch durchaus fragen, warum das so ist? Wenn man sich anschaut, welche Geschichte die Europäische Bewegung hat, dann kann man da auch auf die eine oder andere Hypothese kommen.
Okay, aber damit will ich es jetzt erstmal bewenden lassen. Ich bin mit diesem Teil der theoretischen bzw. des Rezitierens aus den Werken fast am Ende. Ich habe noch ein kleines Stück zum Schluss, aber vielleicht gehen wir jetzt einfach ein bisschen in die Diskussion oder in Fragen, die wahrscheinlich nicht völlig ausgeschlossen sind, dass die auch entstanden sind. Wir gehen da einfach rein und unterhalten uns ein bisschen miteinander.
Frage: Lesen Politiker auch solche Bücher?
— Ja. Gute Frage. Naja, also es würde ja schon wirklich viel helfen, wenn man das, was, also interessanterweise, ich habe vor wenigen Tagen ein Gespräch darüber gehabt: ich bin ein Kind der Bildungsreform, ja. Ohne diese Bildungsreform hätte ich mit meiner Herkunft wahrscheinlich nie Abitur gemacht, hätte nie studiert und wäre wahrscheinlich heute nicht an dem Punkt, also sicher nicht an dem Punkt, wo ich jetzt bin. Und insofern kann ich das durchaus auch wirklich nach wie vor mit einer großen Dankbarkeit sehen.
Ich habe mir das als Historiker — ich habe Geschichtswissenschaften studiert und habe da inzwischen erkannt, [wie viel mir falsch beigebracht wurde], und Schiller, darüber konnte man auch den ganzen Abend sprechen, Schiller als Historiker.
Er war Geschichtsprofessor in Jena und hat eine unfassbar tiefe Vorlesung gehalten über den Sinn von Geschichte, wie man Geschichte studiert, wozu es wirklich da ist. Und das hat mit dem, wie wir es gelernt haben, im Studium nichts zu tun oder sehr wenig, wo es wirklich fast nur noch um die oberflächlichen Zusammenhänge geht, aber nicht um den eigentlich tieferen Sinn.
Jedenfalls würde es viel bringen, wenn wir diese Aspekte dessen, was zum Beispiel Klassik ist? Warum Klassik wichtig ist für die Ausbildung einer Persönlichkeit, Also das Thema der Seele? Platon habe ich jetzt erwähnt. Ich kannte Platon bis vor zwei Jahren überhaupt nur als Namen. Aber ansonsten wusste ich nichts.
Platon ist ein ganz wichtiger Einfluss, und Platon ist ja auch nur ein Punkt auf einer langen Entwicklungsstrecke, die vor ihm angefangen hat, lange vor ihm angefangen hat. Aber er hat halt bestimmte Aspekte tatsächlich zusammengebunden, wenn man sich dieses Werk, was er dahinter lassen hat, anschaut.
Dann geht es darum bei Platon geht es um die Gleichwertigkeit der menschlichen Seele, also die Unsterblichkeit der Seele auch, aber auch das Gleichwertige. Ja, er spricht natürlich davon, dass es Goldene und Bronzene und Silberne Seelen gibt, aber das ist ein offenes System. Das ist eine Beschreibung von, auf der einen Seite von Realität, auf der anderen Seite aber von einem offenen Potenzial, was immer wieder neu sich entfaltet und zu neuen Qualitäten dann auch führen wird, vorausgesetzt man schafft es, den Menschen, den Heranwachsenden zum Beispiel Dinge wie Sophismus zu erklären.
Und Sophismus in Politik ist etwas, was heute, also kluge Worte… Ein Sophist ist jemand, der wortgewandt alles argumentieren kann, egal was es ist. Und da sind Politiker tatsächlich sehr geschult darin und werden darin auch geschult. Und das ist eine Gefahr, wenn man nicht in der Lage ist, eine Sophistik tatsächlich zu entlarven, also sprich: es darf da sein. Aber man muss sie als solche dann erkennen können und muss dann erkennen können, dass das, was einem da gesagt wird, nicht notwendigerweise die ausschließliche Wahrheit ist, zum Beispiel. Nur eine Teilwahrheit ist. Und das ist etwas, was in dem Bereich immer wieder jetzt vorkommt, gerade auch heute. Wir werden mit Teilwahrheiten bombardiert, die werden in einen Kontext gestellt, der dann scheinbar nur eine Konsequenz zulässt, alternativlos Wort der ehemaligen Bundeskanzlerin. Und das ist Sophistik. Das ist nicht die Realität. Die Realität ist tatsächlich paradox.
Paradoxien sind essentiell für einen qualitativen Sprung im Erkenntnisprozess eines jeden Menschen, ein Erkenntnisprozess, der nie beendet ist, der im Laufe des Lebens nie endet.
Und damit ist letztendlich dann auch vielleicht beschrieben, was die Unendlichkeit des Universums oder der Schöpfung ist. In dem Moment, wo … warum soll ich mir das nicht vorstellen dürfen und vorstellen können, dass ich diese Unendlichkeit in ihrem Potenzial erkenne, sofern bestimmte Grundbedingungen gegeben sind, nämlich über Paradoxien. Die Paradoxien zu identifizieren, um dann nach der Lösung zu suchen. Kepler noch einmal.
Johannes Kepler hat die planetaren Umlaufbahnen erkannt, hat daraus auch eine Harmonie abgeleitet, die vorher vermutet worden ist, aber in dieser Weise so nicht gezeigt worden ist. Er hat diese Harmonie mit akustischer Sensorik, sprich mit akustischen Sinnen in Übereinstimmung gebracht. Er hat da die Nähe auch zur Musik gezeigt …
Und dazu fing er mit der Überlegung an: “okay, wenn das Weltall perfekt ist, dann ist es ja etwas, was in diesem Sinne dann geometrisch auf Kreisbahnen sich vollziehen muss, weil der Kreis ist die perfekteste geometrische Figur, oder die Kugel. Und er hat dann aber erkannt, dass bestimmte Beobachtungen damit nicht übereinstimmen. Und hat dann irgendwann gesehen, dass tatsächlich die Planeten auf elliptischen Bahnen verlaufen, was vorher so nicht im Erkenntnisprozess überhaupt nicht drin war.
Und das ist dann schon ein Beweis dafür, dass auf einmal sich eine ganz neue Dimension öffnet, wo Erkenntnisse sich erschließen ließen und dann aber von da an den nächsten Erkenntnisprozess mitbedingen, das heißt das nachvollziehen, um dann zu einer weiteren Stufe zu kommen. Das wäre dann hinterher vielleicht Max Planck, oder was auch immer, die sich alle auch auf Kepler insbesondere beziehen. Oder Carl Friedrich Gauss, der sich ganz explizit sich auf Kepler bezieht und auch da ganz viele, ganz viele essentielle Erkenntnisse formuliert hat.
Dies hat die wissenschaftliche Blüte in Deutschland maßgeblich ermöglicht. Das Deutsches Reich kam später, zunächst ging es um den deutschen Kulturraum. Das ist auch etwas, was einem erst dann indirekt klar wird über bestimmte Paradoxien.
Warum soll ich eben nicht in diesen Paradoxien zunächst einmal mich auskennen lernen, mich heimisch fühlen lernen, diese nicht als “Gefahr” deuten müssen, sondern zu sagen, “okay, das Leben besteht aus bestimmten Widersprüchlichkeiten, die im ersten Moment so wirken, die sich aber vielleicht mit anderer Perspektive oder so dann auflösen lassen.” So, und das ist etwas, was heutzutage eben fehlt.
Und in der Bildungspolitik würde ich mir das wünschen, dass dieser Aspekt aus dem klassischen Kanon wiederbelebt wird. Weil es eine Voraussetzung ist, um Erkenntnisprozesse auf eine neue Ebene zu heben. Und ich bin überzeugt davon, dass das, was sich uns jetzt als unlösbares Problem darstellt, ob es “das Klima” ist oder ob es Bevölkerungsentwicklung ist.
Eines der durchgehenden Bänder bis auch zu Schillers Zeiten ist der Malthusianismus. Diese fixe Idee, dass es eine Obergrenze der Selbsterhaltungsfähigkeit eines Systems Erde gibt.
Diese Idee ist insofern fix, weil sie auch Annahmen voraussetzt, die so nicht gegeben sind. Das heißt, mit einem entsprechenden Fortschritt — die Elektrizität beispielsweise, die Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckt worden ist — hat auf einmal das, was Malthus im 18. Jahrhundert versucht hat zu prophezeien, keine Grundlage. Diese Erfindung (und andere) hat Malthus’ Idee ad absurdum geführt und hat da die zivilisatorische Möglichkeit, viel mehr Menschen auf dem gleichen Raum besser als vorher zu unterhalten, zu erhalten, ermöglicht.
Und dann gibt es in der Folge, in der Wissenschafts- und Technikgeschichte gibt es weitere Elemente, die davon nur zeugen: “wir müssen uns bewusst sein. Das sind Annahmen, die formuliert werden. Und wenn die absolut gesetzt werden, dann erscheint das als ausweglos, und dann müssen wir uns irgendeinem Dogma unterordnen. Aber das ist an sich wissenschaftsfeindlich in diesem Sinne, weil es nicht dem Wesen der Wissenschaft entspricht, nach diesen Lösungen zu suchen.
Und es ist eben ganz und gar nicht im Einklang mit dem, was da insbesondere Platon und diese platonische Philosophie (die viel mehr ist als er selbst, aber es ist ein Schlagwort) da beschreibt.
Und das wieder in die Bildung, in den Bildungsbetrieb einzuführen. Das ist etwas, was dringend notwendig wäre, um einfach eine ganz neue Aufbruchstimmung zu ermöglichen, um nicht diese Hoffnungslosigkeit, diesen Kulturpessimismus, der drüber liegt über der allgemeinen Bevölkerung, während sich “die Oligarchen” weiterhin in ihren Privatjets und sonstwie ganz frei und ungezwungen überall zeigen und gleichzeitig aber die Reden halten, dass wir hier alle mal “den Gürtel enger schnallen müssen”.
Das setzt auf Wissenschaftsbildern und auf philosophischen Konzepten auf, die kaum noch hinterfragt werden dürfen. Man ist sofort ein Schwurbler oder sonst was, wenn man da Fragen stellt und auf Paradoxien hinweist.
Das ist etwas, wo ich mir große Veränderungen wünsche! Also das Fazit ist, dass wenn wir uns konsequent selber bilden, um mal diesen abgedroschenen Begriff zu nehmen, indem wir uns immer wieder neue Formen der Schönheit vergegenwärtigen, dass wir dann ein unglaubliches Potenzial haben. Dass sich Potenziale erschließen werden (ohne dass man die konkret beziffern kann), aber das ist die Schlussfolgerung, das ist der Schlüssel, um sowohl politisch — also Lagerdenken — oder sonst etwas, aufzubrechen, um neue Lösungen zu finden. Aber das ist etwas, wo er sagt, wenn der Mensch diese ihm gegebenen Natur, Sinnlichkeit und Sittlichkeit, Gefühle und Verstand, wenn er das anerkennt, dass weder das eine das andere dominieren darf, noch umgekehrt, sondern die Schönheit nutzt, um die beiden miteinander immer wieder bekannt zu machen und dabei aber jeweils auf einen neues Niveau zu erheben, dann ist tatsächlich “the sky the limit”, um da diesen neudeutschen Begriff einzuführen.
Und da würde ich sagen, das ist die Konsequenz aus diesen Briefen. Also die Ästhetik als notwendige Voraussetzung der tatsächlichen Menschlichkeit in ihrer Göttlichkeit, sprich in ihrer potenziellen Unbegrenztheit.
Frage: Es wäre schön, wenn sich das auch konkret in der Welt zeigen würde. Doch die Menschen setzen sich eher dem Pessimismus und der Destruktivität aus.
Antwort: Das ist aber kein Gegenargument gegen das, was Schiller sagt. Es könnte vielleicht sogar eine Erklärung sein, weshalb Schiller inzwischen so an den Rand gedrängt worden ist. Ich neige immer mehr zu dieser Behauptung, weshalb ich mich auch ganz bewusst dieser Aufgabe jetzt auch widme, zu tun, was ich tun kann, um allein diese Neugier auf das Schöne, auf die Klassik zu wecken, das zu entdecken, tatsächlich zu sehen, wie schön das sein kann. Also schön im Sinne von wirklich ästhetisch angenehm, wobei Schönheit eben auch tragisch sein kann. Die Tragödie ist auch eine Form der Schönheit, was auch ein Paradoxon ist im ersten Moment.
Also Kassandra, todtrauriger Stoff, Trotzdem wunderschön. Oder die Nänie, also “auch das Schöne muss sterben”. Das sind wunderschöne Gedichte mit tragischem Inhalt, die trotzdem erhebend wirken, weil sie in verschiedener Hinsicht erstens auf schwere Zeiten vorbereiten, zweitens Hoffnung geben, drittens tatsächlich auch dann vielleicht sogar wirklich eine Erinnerung, eine Stufe sind auf dieser Weiterentwicklung unseres zivilisatorischen Niveaus.
Man müsste da den Gegenbeweis antreten, aber wir haben es ja damit zu tun, dass dieser Gegenbeweis so nicht angetreten wird, sondern es wird nur von vornherein gesagt, also Darwin oder DNA und “deswegen verstehen wir die Evolution”. Nein, das ist eine sehr, sehr kühne Behauptung, die, wenn man anschaut, woher sie kommt, wer diese Richtung, finanziert hat, wer ein Interesse daran hat, dass sich auch die falsche Erkenntnis durchsetzt, dass Menschen halt unterschiedlich sind und die einen zum Herrschen geboren, die anderen zum beherrscht werden geboren werden. Also wer hat daran ein Interesse?
Und wenn das dieselben Leute sind, die mit dazu beigetragen haben, dass Schiller bei mit den Karlsbader Beschlüssen an den Rand gedrängt worden ist, dass er verboten auf den Index gesetzt worden ist, dann... Ja, gibt es da auch, glaube ich, den einen oder anderen konkreten Erkenntnisprozess für unsere heutige Zeit.
Ja, deswegen wird ja der Egoismus zum Beispiel so angesprochen. “Geiz ist geil!” “Wenn ich das Geschäft nicht mache, macht es ein anderer.” Ja.
Und das ist etwas, wo man eben auch die Widersprüchlichkeit oder das Paradoxon bei Schiller sieht.
Tatsächlich sind wir jetzt schon bald 90 Minuten beschäftigt, deswegen würde ich noch zum Schluss das Zitat noch bringen, das Gedicht.
Aber Schiller ist eben jemand, der ... beinhart authentisch ist und insofern dann auch darüber schreibt, wie er zum Beispiel, das mit der französischen Revolution konnte nicht gut gehen, weil das Volk in einer ganz anderen Situation war als in Amerika. Da sind viel zu schnell in eine Situation hinein auch geschoben worden, wo, man muss sich nur vorstellen, die Franzosen hatten zunächst einmal eine konstitutionelle Monarchie und eine sehr vernünftige Verfassung zustande gebracht.
Und dann wurde das einfach eskaliert und es ist nicht schnell genug und schnell alle weg und so auf einer Basis, die nicht vernünftig war. Also das ist bei John Strelecky eben auch sehr sehr schön. Big Five heißt ja, sich konsequent darauf ausrichten, aber nicht die Verantwortung leugnen für das, was war. An allem ist man mitbeteiligt, insofern, wo man tätig war. Das heißt, wir haben eine Verantwortung und deswegen auch kein Interesse daran, das Kind mit dem Bade auszuschütten, sondern einen vernünftigen Übergang zu organisieren, und dabei eben auch im Zweifelsfall Dinge zu akzeptieren, die langfristig revisionsbedürftig sind, aber kurzfristig keine bessere Lösung haben.
Also wenn Sie einverstanden sind, würde ich das jetzt einfach mal noch zum Schluss ein bisschen aus der Praxis zitieren, wie Schiller die Schönheit praktiziert mit verdichteten Worten. Das ist ja nur ein Beispiel von vielen in Schillers großem Werk, aber ein Beispiel, Der Gang nach dem Eisenhammer, aus dem Jahr 1797, dem Balladenjahr. Das Balladenjahr ist von Schiller und Goethe deklariert worden.
Sie haben sich da... wechselseitig in Briefen, die auch sehr schön nachvollziehbar sind, die Balladen vorgenommen. Also auf der einen Seite theoretisch die Klassik, die griechische Klassik studiert, Versmaß und Aufbau und solche Geschichten wirklich studiert, um sie dann im Deutschen anzuwenden, in der deutschen Sprache anzuwenden. Und haben damit dann Klassik wiederum neu geschaffen. Aus der griechischen Klassik eine Weimarer Klassik. Und jetzt kommt vielleicht dann irgendwann die nächste Klassik.
Es eignet sich also vorzüglich zur Demonstration dessen, was weder Sachtrieb, die Empfindung, noch Formtrieb ist, sondern ganz einfach Spiel. Scheinbar ohne Mühe. Schönheit, die auf die Sinne und auf den Charakter gleichermaßen erhebend und erbaulich wirkt.
Der Gang nach dem Eisenhammer”
von Friedrich Schiller.Ein frommer Knecht war Fridolin
und in der Furcht des Herrn,
ergeben der Gebieterin,
der Gräfin von Savern.
Sie war so sanft, sie war so gut,
doch auch der Launen Übermut
hätte er geeifert zu erfüllen,
mit Freudigkeit, um Gottes Willen.Früh von des Tages erstem Schein
bis spät die Vesper schlug,
lebt er nur ihrem Dienst allein,
tat nimmer sich genug.
Und sprach die Dame, mach dir’s leicht,
Da wurde ihm gleich das Auge feucht
und meinte, seiner Pflicht zu fehlen
dürfte er sich nicht im Dienste quälen.Drum von dem ganzen Diener Tross
die Gräfin ihn erhob,
aus ihrem schönen Munde floss
sein unerschöpftes Lob.
Sie hielt ihn nicht als ihren Knecht,
es gab sein Herz ihm Kindesrecht,
ihr klares Auge mit Vergnügen
hing an den wohlgestalten Zügen.Darob entbrennt in Roberts Brust
des Jägers giftger Groll,
dem längst von böser Schadenlust
die schwarze Seele schwoll
Und trat zum Grafen rasch zur Tat
und offen des Verführers Rat,
als einst vom Jagen heim sie kamen,
streut ihm ins Herz des Argwohns Samen.Wie seid ihr glücklich, edler Graf,
hub er vor Aglist an,
euch raubet nicht den goldenen Schlaf
des Zweifels giftger Zahn?
Denn ihr besitzt ein edles Weib,
es gürtet Scham und keuschen Leib.
Die fromme Treue zu berücken
wird nimmer dem Versucher glücken.Da rollt der Graf die finstern Brauen.
Was redest du mir, Gesell?
Werd ich auf Weibestugend bau’n,
beweglich wie die Well?
Leicht locket sie des Schmeichlers Mund,
mein Glaube steht auf festerm Grund.
Vom Weib des Grafen von Saverne
bleibt, hoffe ich, der Versucher Ferne.Der andere spricht, so denkt ihr recht.
Nur euren Spott verdient der Tor,
der, ein geborner Knecht,
ein solches sich erkühnt
und zu der Frau, die ihm gebeut,
erhebt der Wünsche Lüsternheit.
Was, fällt ihm jener ein und bebet,
Redst du von einem, der da lebet?»Ja doch, was aller Mund erfüllt,
das berg sich meinem Herr?.
Doch weil ihr’s mir mit Fleiß verhüllt,
so unterdrücke ich es gern.«
»Du bist des Todes, Bube, sprich!«,
ruft jener streng und fürchterlich.
»Wer hebt das Aug zu, Kunigonden?«
»Nun ja, ich spreche von dem Blonden.«»Er ist nicht hässlich von Gestalt«,
fährt er mit Arglist fort,
indem es dem Grafen heiß und kalt
durchrieselt bei dem Wort.«
Ist's möglich, Herr, ihr saht es nie,
wie er nur Augen hat für sie,
bei Tafel eurer selbst nicht achtet,
an ihrem Stuhl gefesselt schmachtet?Seht da, die Verse, die er schrieb,
und seiner Glut gesteht,
und sie zum Gegenlieb
der freche Bube fleht.
Die gnädge Gräfin sanft und weich
aus Mitleid wohl verbarg sie’s euch,
mich reuet jetzt, mir ist’s entfahren,
denn Herr, was habt ihr zu ihr befahren?Da ritt in seiner Zorneswut
der Graf ins nahe Holz,
wo ihm in hoher Öfenglut
die Eisenstufe schmolz.
Hier nährten früh und spat den Brand
die Knechte mit geschäftger Hand.
Der Funke sprüht, die Bälge blasen,
als gelt es Felsen zu verglasen.Des Wassers und des Feuers Kraft
verbündet, sieht man hier,
das Mühlrad von der Flut gerafft,
umwälzt sich für und für.
Die Werke klappern Nacht und Tag,
im Takte pocht der Hämmerschlag,
und bildsam von den mächtign Streichen
muss selbst das Eisen sich erweichen.Und zweien Knechten winkt er,
bedeutet sie und sagt,
den Ersten, den ich sende her,
und der euch also fragt,
habt ihr befolgt des Herren Wort?
Den werfet ihr in die Hölle dort,
dass er zu Asche gleich vergehe
und ihn mein Aug nicht weiter sehe.Des freut sich das entmenschte Paar
mit roher Henkerslust,
denn fühllos wie das Eisen, war
das Herz in ihrer Brust.
Und frisch mit der Bälge Hauch
erhitzten sie das Ofenbauch
und schickten sich mit Mordverlangen,
das Todesopfer zu empfangen.Drauf Robert zum Gesellen spricht
mit falscher Heuchelschein.
Frisch auf, Gesell, und säume nicht,
der Herr begehret dein.
Der Herr, spricht zu Fridolin,
muss gleich zum Eisenhammer hin
und frage mir die Knechte dorten,
ob sie getan nach meinen Worten.Und jener spricht, es soll geschehn,
und macht sich flugs bereit.
Doch sinnen bleibt er plötzlich stehn,
ob sie mir nichts gebeut?
Und vor die Gräfin stellt er sich,
hinaus zum Hammer schickt man mich.
So sag, was kann ich dir verrichten,
denn dir gehören meine Pflichten.Darauf die Dame von Savern,
versetzt mit sanftem Ton,
Die heilige Messe höre ich gern,
doch liegt mir krank der Sohn.
So gehe denn mein Kind und sprich
in Andacht ein Gebet für mich
und denkst du reuig deiner Sünden,
so lass auch mich die Gnade finden.Und froh der willkommnen Pflicht
macht er im Flug sich auf.
Da hat noch das Dorfes Ende nicht
erreicht im schnellen Lauf.
Da tönt ihm von dem Glockenstrang
hellschlagend des Geläutes Klang,
das alle Sünder hochbegnadet
zum Sakramente festlich ladet.“Dem lieben Gotte weicht nicht aus,
findst du ihn auf dem Wege.”
Er spricht's und tritt ins Gotteshaus.
Kein Laut ist hier noch rege.
Denn um die Ernte war's und heiß
im Felde glüht der Schnitter Fleiß.
Kein Chorgehilfe war erschienen,
die Messe kundig zu bedienen.Entschlossen ist er also bald
und macht den Sakristan.
Das, spricht er, ist kein Aufenthalt,
was fördert himmelan.
Die Stola und das Cingulum
hängt er dem Priester dienend um,
bereitet hurtig die Gefäße,
geheiliget zum Dienst der Messe.Und als er dies mit Fleiß getan,
tritt er als Ministrant
dem Priester zum Altar voran,
das Messbuch in der Hand
und kniet rechts und kniet links
und ist gewärtig jeden Winks.
Und als des Sanktus Worte kamen,
da schellt er dreimal bei dem Namen.Drauf, als der Priester fromm sich neigt
und zum Altar gewand
den Gott, den Gewärtigen zeigt,
in hoch erhabener Hand,
da kündet es der Sakristan
mit hellem Glöckchen, klingelnd an.
Und alles kniet und schlägt die Brüste
sich fromm bekreuzend vor dem Christe.So übt er jedes pünktlich aus,
mit schnellgewandtem Sinn,
was Brauch ist in dem Gotteshaus,
er hat es alles inn
und wird nicht müde bis zum Schluss,
bis zum Vobiscum Dominus,
der Priester zum Gemein sich wendet,
die heilige Handlung endet.Da stellt er jedes wiederum
in Ordnung säuberlich,
erst reinigt er das Heiligtum
und dann entfernt er sich
und eilt in des Gewissens Ruh
den Eisenhütten heiter zu.
Spricht unterwegs, die Zahl zu füllen,
zwölf Paternoster noch im StillenUnd als er rauchen sieht den Schlot
und sieht die Knechte stehn,
da ruft er, was der Graf gebot,
ist's, Knechte, ist's geschehen?
Grinsend zerren sie den Mund
und deuten auf den Ofenschlund.
»Der ist besorgt und aufgehoben.
Der Graf wird seine Diener loben.«Die Antwort bringt er seinem Herrn
in schnellem Lauf zurück.
Als der ihn kommen sieht von fern,
kaum traut er seinem Blick.
»Unglücklicher, wo kommst du her?«
»Vom Eisenhammer« »Nimmermehr!«
»So hast du dich im Lauf verspätet.«
Herr, nur so lang, bis ich gebetet.Denn als von eurem Angesicht
ich heute ging, verzeiht,
da fragte ich erst nach meiner Pflicht
bei der, die mir gebeut.
Die Messe, Herr, befahl sie mir
zu hören. Gern gehorcht ich ihr
und sprach der Rosenkränze viere
für euer Heil und für das Ihre.In tiefes Staunen sinket hier
der Graf, entsetzt sich.
Und welche Antwort wurde dir
am Eisenhammer? Sprich!
Herr, dunkel war der Rede Sinn,
zum Ofen wies man lachend hin.
Der ist besorgt und aufgehoben,
der Graf wird seine Diener loben.Und Robert? fällt der Graf ihm ein.
So überläuft es ihn kalt.
Sollt er dir nicht begegnet sein?
Ich sandt ihn doch zum Wald.
Herr, nicht im Wald, nicht auf der Flur,
fand ich von Robert eine Spur.
Nun ruft der Graf und steht vernichtet.
Gott selbst im Himmel hat gerichtet!Und gütig, wie er nie gepflegt,
nimmt er des Dieners Hand,
bringt ihn der Gattin, tief bewegt,
die nichts davon verstand.
Dies, Kind, kein Engel ist so rein,
lasst euer Huld empfohlen sein,
wie schlimm wir auch beraten waren,
mit dem ist Gott und seine Scharen.
Das ist, in diesem Sinne, eine hochmoralische, aber auch hochunterhaltsame, wirklich wunderschön verdichtete kleine Geschichte aus dem Balladenjahr, von Friedrich Schiller zum Abschluss meiner Zeit, meiner Worte hier. Ich danke ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich hoffe, es hat Ihnen ein bisschen Erbauung auch gebracht, eben nicht nur Unterhaltung, sondern auch Erbauung, wie es in der Glocke beschrieben ist. Und ja, ich freue mich auf Gespräche noch, oder wünsche Ihnen ansonsten einen guten Heimweg, und auf bald!
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